„Du bist verrückt“, das war Julias erste Reaktion. Zugegeben, eine elfjährige rohe Knabstrupper- Zuchtstute und eine 46jährige fortgeschrittene Reitanfängerin: das ist nicht unbedingt ein
Dreamteam. „Das kann nicht klappen, lass die Finger davon“, war Julias nächster Satz. Leider bin ich stur. Und das Pünktchenpony hatte es mir angetan. Also kaufte ich sie. „Ich kann sie mir ja
mal ansehen“, meinte Julia. Sie kam, sah und Daisy siegte. Jetzt hieß es, Daisy ausbilden. „Das dauert“, sagte Julia. Und „Du musst jeden Tag üben“. Oha, nicht so einfach, mit Mann, drei Kindern,
Hund, Job und neuer Ausbildung war auch vorher in meinem Leben nicht unbedingt Langeweile angesagt. Aber lieber langsam als gar nicht. Ich hatte es ja nicht anders gewollt.
Am Anfang stand eine ausgemergelte Zuchtstute, das noch nicht mal entspannt die Hufe geben konnte. Und eine Reiterin, die bisher auf Schulpferden und Reitbeteiligungen mehr schlecht als recht
reiten gelernt hatte.
Anders als sonst üblich habe ich nicht erst Daisy in Beritt gegeben und dann mich selbst korrigieren lassen, sondern Julia gebeten, uns parallel auszubilden. Der Plan ist aufgegangen. Das Rezept:
Zeit und ganz kleine Schritte in der richtigen Reihenfolge.
Zuerst Bodenarbeit, Longe, Basics wie Führübungen, Stillstehen, Hufe geben, Auftrensen.
Wichtig war vor allem der korrekte Muskelaufbau. Dann Handarbeit am Kappzaum, vorsichtiges Gewöhnen an Zügel, Trense, erstes Reiten im Sattel an der Longe, Sitzschulung ohne Sattel, Übungen mit
Halsring und viele, viele Erklärungen und Ermutigungen für mich und das Pferd. „Das sieht doch schon gut aus“, hab ich oft gehört. Und „Super“. Aber auch „Setz dich durch“ und „Atmen!“
Julia hat jeden Lernschritt ernst genommen und eingefordert. Ob es die richtige Art ist, das Pferd aus der Box zu holen oder die korrekte Gewichtshilfe beim Schulterherein. Es ist wunderbar, auf
jede noch so blöde Frage eine Antwort zu bekommen. Was mich besonders beeindruckt, ist Julias Motto, immer dann aufzuhören, wenn es besonders gut gelaufen ist. Keine Übung wird bis zum Exzess
gebimst. Nein, wenn Pferd und Reiter es gut gemacht haben, dann wird gelobt und belohnt und manchmal auch eher Schluss gemacht. Diese „Salamitaktik“ war für Daisy und mich genau der richtige
Weg.
Nach anderthalb Jahren sind wir jetzt bei losgelassenem Trab und Seitengängen angekommen und vor wenigen Wochen auf einer 10 km langen Reiterrallye gestartet. Ein echter Triumph! Als nächstes steht Galopparbeit auf dem Programm und im nächsten Jahr soll es auf lange Wanderritte, vielleicht auch an den Strand und ins Watt gehen.